Tagung: Das Erzgebirge 1650–1800 - noch immer eine Region?
Wissenschaftliche Leitung
Dr. Frank Metasch (ISGV)
Dr. Henrik Schwanitz (ISGV)
Dr. Tomáš Velička (Univerzita Ústí nad Labem)
Ort
Ústí nad Labem, Univerzity J. E. Purkyně (J. E. Purkyně-Universität)
400 01 Ústí nad Labem (CZ)
Datum
16. bis 17. September 2026
Kontakt
Dr. Frank Metasch (ISGV), f.metasch@isgv.de
Dr. Henrik Schwanitz (ISGV), h.schwanitz@isgv.de
Dr. Tomáš Velička (Univerzita Ústí nad Labem), tomas.velicka@ujep.cz
Veranstalter
Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV) Dresden; Philosophische Fakultät, J. E. Purkyně-Universität in Ústí nad Labem (Filozofická Fakulta, Univerzity J. E. Purkyně v Ústí nad Labem)
Call for Paper bis 1.11.2025
Call for Paper
+++ English version below +++
Ziel der geplanten Tagung ist es, der Frage nachzugehen, wie sich die soziokulturellen, wirtschaftlichen und politischen Verbindungen, aufgrund derer das Erzgebirge noch im 16. Jahrhundert als eine eng verflochtene Region gelten kann, nach dem Dreißigjährigen Krieg verändert haben. Unter der Habsburger-Herrschaft fanden in der Zeitspanne zwischen 1650 und 1800 in Böhmen Prozesse der Bürokratisierung und der katholischen Konfessionalisierung statt, die in einen flächendeckenden Staat einmündeten. Im lutherischen Sachsen dagegen waren solche Vorgänge der planmäßigen Vereinheitlichung und Konzentration staatlicher Gewalt bereits früher zum Abschluss gekommen und wurden auch durch die persönliche Konversion Augusts des Starken zum Katholizismus Ende des 17. Jahrhunderts nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die obrigkeitsstaatliche Entwicklung auf beiden Seiten hat vermutlich die sächsisch-böhmischen grenzüberschreitenden Interaktionen, die noch für das 16. und frühe 17. Jahrhundert reichlich vorhanden gewesen waren, nicht besonders unterstützt. So wird bisher davon ausgegangen, dass sich die Beziehungen zwischen Sachsen und Nordwestböhmen in Folge des Dreißigjährigen Krieges erheblich gelockert haben. Mangels tiefergehender Forschungen ist es jedoch noch offen, ob diese These umfassend zutrifft und wie sich diese Kontakte im Untersuchungszeitraum gestaltet oder verändert haben. Gleichzeitig entwickelten sich durch die veränderte Situation besonders im Königreich Böhmen auch einige neue Plattformen für gegenseitige Kontakte: z. B. gehören hierher durch den Konfessionswechsel in Sachsen ausgelöste intensivere Kontakt- und Austauschmöglichkeiten oder (aus der Sicht Nordwestböhmens) auch die allgemeine Anziehungskraft Dresdens, nachdem Prag den Status der Kaiserresidenz und den Sitz einiger landesherrlicher Behörden verloren hatte.
Nach zwei Impulsreferaten, in denen die grenzüberschreitende Situation bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges resümiert wird, soll die zentrale Fragestellung der Tagung hinsichtlich des folgenden Zeitraums in drei Themenbereichen verfolgt werden. Der erste betrifft die Wirksamkeit von soziokulturellen, wirtschaftlichen und politischen Verbindungen in der Grenzregion. Inwieweit waren die Bevölkerungen der beiden Gebiete miteinander in Kontakt? Fand Migration statt, und wenn ja, war sie langfristig oder kurzfristig und wodurch war sie bedingt, durch Arbeitsmigration, religiöse Migration oder anderes? Welche Arten von grenzüberschreitenden alltäglichen Beziehungen gab es? Eine zweite Ebene, auf der die Eingangsfragen überprüft werden können, ist die Wahrnehmung des nordwestböhmisch-sächsischen Raumes – sei es mit der Widerspiegelung in geographischen oder kartographischen Werken, in der Reiseliteratur oder in der Chronistik. Wie werden das Erzgebirge und die angrenzenden Gebiete dort betrachtet? Und wie reflektieren weiter entfernte Autoren die Grenzregion? Inwieweit nahmen die in Sachsen und Nordwestböhmen entstandenen narrativen Quellen die Ereignisse jenseits der Grenze zur Kenntnis? In einem dritten thematischen Block soll eine Untersuchung von Phänomenen erfolgen, die beiderseits der Grenze auftraten und für die besprochenen Gebiete signifikant waren. Zu nennen sind hier vor allem die Bergbautätigkeit, aber auch die Protoindustrialisierung oder die Entwicklung des Landhandwerks mit der Frage, inwieweit diese Phänomene wechselseitig beeinflusst waren oder sich getrennt entwickelten.
Wir bitten um die Einsendung von kurzen Exposees (ca. 1 Seite) für Vortragsangebote bis zum 1. November 2025.
Erste Konferenzsprache ist Deutsch. Auch englischsprachige Beiträge sind willkommen.
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The aim of the planned conference is to examine how the socio-cultural, economic, and political ties that made the Ore Mountains a closely interlinked region in the 16th century changed after the Thirty Years' War. Under Habsburg rule, between 1650 and 1800, Bohemia underwent processes of bureaucratization and Catholic confessionalization, which culminated in the creation of a comprehensive state. In Lutheran Saxony, on the other hand, such processes of systematic unification and concentration of state power had already been completed earlier and were not fundamentally called into question by Augustus the Strong's personal conversion to Catholicism at the end of the 17th century. The development of authoritarian states on both sides probably did not particularly encourage Saxon-Bohemian cross-border interactions, which had been abundant in the 16th and early 17th centuries. It has therefore been assumed that relations between Saxony and northwestern Bohemia became considerably more relaxed as a result of the Thirty Years' War. However, in the absence of more in-depth research, it remains unclear whether this thesis is entirely accurate and how these contacts developed or changed during the period under investigation. At the same time, the changed situation, particularly in the Kingdom of Bohemia, also gave rise to a number of new platforms for mutual contact: these include, for example, the more intensive contact and exchange opportunities triggered by the change of religion in Saxony or (from the perspective of northwestern Bohemia) the general appeal of Dresden after Prague lost its status as the imperial residence and seat of several sovereign authorities.
After two keynote speeches summarizing the cross-border situation until the end of the Thirty Years' War, the central question of the conference will be pursued in three thematic areas with regard to the following period. The first concerns the effectiveness of socio-cultural, economic, and political connections in the border region. To what extent were the populations of the two areas in contact with each other? Did migration take place, and if so, was it long-term or short-term, and what were the reasons for it: labor migration, religious migration, or something else? What kinds of cross-border everyday relationships existed? A second level at which the initial questions can be examined is the perception of the northwestern Bohemian-Saxon region – whether reflected in geographical or cartographic works, in travel literature, or in chronicles. How are the Ore Mountains and the neighboring areas viewed there? And how do authors from further afield reflect on the border region? To what extent did narrative sources originating in Saxony and northwestern Bohemia take note of events beyond the border? A third thematic block will examine phenomena that occurred on both sides of the border and were significant for the areas discussed. These include, above all, mining activity, but also proto-industrialization and the development of rural crafts, with the question of the extent to which these phenomena influenced each other or developed separately.
We request the submission of short abstracts (approx. 1 page) for proposed presentations by November 1, 2025.
The primary conference language is German. English-language contributions are also welcome.