Ambivalente Transformationen. '1989' zwischen Erfolgserzählung und Krisenerfahrung

Tagung_Ambivalente_Trandformationen

Ort
Dülfersaal der TU Dresden, Dülferstraße 2, 01069 Dresden
Die Eröffnungsveranstaltung (10.11.2019) findet statt im Kino im Kasten, August-Bebel-Straße 20, 01219 Dresden

Kontakt und Anmeldung
Ira Spieker

Telefon
+49 351 4361640

Email
transformation@isgv.de

Datum
10. bis 12. November 2019
Um Anmeldung bis zum 31. Oktober 2019 wird gebeten.

Die Teilnahme  ist kostenpflichtig.

Veranstalter
Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV), Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT), Zentrum für Integrationsstudien (ZfI)



Anmeldeinformationen

  Unkostenbeitrag
ReferentIn/ModeratorIn kein Beitrag
TeilnehmerIn 40 €
TeilnehmerIn (ermäßigt) 20 €
MitarbeiterIn ISGV / HAIT / ZfI kein Beitrag

Ermäßigung gilt für Schüler, Studierende und Auszubildende. Für Kurzentschlossene ist eine Anmeldung vor Ort möglich.

 

Bitte überweisen Sie den Unkostenbeitrag bis zum 5. November 2019 auf folgendes Konto:

Kontoinhaber: ISGV e.V.
IBAN: DE33 8505 0300 3120 2211 11
BIC: OSDDDE81XXX
Verwendungszweck: "Transformation + Ihr Name“

Inhalte und Ziele

Der historischen Zäsur um 1989/91 wurde in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit bislang vor allem als erfolgreicher „Friedlicher Revolution“ gedacht. Unwegsames historisches Gelände wurde retrospektiv eingeebnet, Widersprüche wurden geglättet. Die diversen und widersprüchlichen Erfahrungen und Erinnerungen der Vielen, sowohl in Deutschland wie auch in den ostmitteleuropäischen Nachbarländern, fanden kaum Platz: weder in den Aushandlungen einer gesamtdeutschen bzw. europäischen Zukunft, noch in der Erinnerung. Jedoch bestand 1989/91 eine äußerst heterogene und ambivalente Gemengelage: Die frühe Nachwendezeit war einerseits geprägt von Aufbruchseuphorie, Freiheitsrhetorik und der Freude über neu gewonnene persönliche und politische Entfaltungsmöglichkeiten. Andererseits bestimmten der Schock über die „Abwicklung“ der sozialistischen Betriebe sowie die rasche Etablierung kapitalistischer Strukturen und die massenhaften „Privatisierungen“ nahezu alle Bereiche des alltäglichen Lebens. Die Enttäuschung über die gescheiterte Reform in den postkommunistischen Gesellschaften war groß. Zwar beflügelten Konsumverheißungen und ökonomische Versprechungen durch den „Westen“ die durch Mangelwirtschaft geprägten Staaten. Zugleich führten biografische Anpassungsschwierigkeiten und Unsicherheiten, entwertete Erwerbsbiografien und gescheiterte Lebensentwürfe zu Prozessen der Entfremdung, Entsolidarisierung und sozialen Spaltung. Die Transformation der DDR nach westdeutschem Modell führte zum Vorwurf der „Kolonialisierung Ostdeutschlands“ – ein Vorwurf, der auch in anderen ostmitteleuropäischen Staaten infolge neoliberaler Transformationsprozesse erhoben wurde. Gleichwohl waren Kontinuitäten kolonialer Praktiken und Logiken nicht nur auf Westdeutschland beschränkt, sondern auch in der DDR anzutreffen. Gefühle der Kränkung, Demütigung und sozialen Ungleichheit bestimmten nicht nur das Klima der Nachwendezeit. In ihrer Langzeitwirkung tragen sie möglicherweise bei zu einem erstarkenden Nationalismus und Rassismus, zu gesellschaftlicher Desintegration.

Vor diesem Hintergrund widmet sich diese internationale Konferenz in transdisziplinärer Perspektive dem Umbruch von 1989ff. und den Folgeerscheinungen des Transformationsprozesses in Deutschland und seinen ostmitteleuropäischen Nachbarländern, unter Berücksichtigung der gleichzeitigen Ko-Transformation des Westens. Im Fokus stehen die Pluralität und Heterogenität von Erwartungen, Erfahrungen und Erinnerungen – von 1989 bis in die Gegenwart. Der kulturanthropologische und sozialhistorische Zugang mit seiner Betonung von Alltag und subjektiven Deutungs- wie Erschließungshorizonten ermöglicht ein Nachspüren in feinste Verästelungen einstiger und zeitgenössischer Wahrnehmungen, Praktiken und Handlungsspielräume sowohl auf der Mikro- wie auf der Makroebene. Damit ist der Raum für alternative Narrative, Erweiterungen und Differenzierungen der „Erfolgsgeschichte“ von 1989 geöffnet und ermöglicht Einblicke in die tiefgreifenden mentalen und emotionalen Vermächtnisse der Transformation.

 

Contents and goals

The historical turning point of 1989-91 was considered a generally successful “peaceful revolution” by the German and European public: historical rough terrain was retrospectively leveled, contradictions smoothed out. The diverse and inconsistent experiences and memories of the many, both in Germany and in neighboring East-Central European countries, were barely recognized in either the negotiation of a German or European future or in historical remembrance. In 1989-91, however, there did exist a highly heterogeneous and contradictory mélange: On one hand, the early post-reunification period was marked by an emerging euphoria, rhetoric of freedom, and the joy of newly won personal and political opportunities for development. On the other hand, shock over the “liquidation” of socialist enterprises, as well as the rapid establishment of capitalist structures and the huge number of privatizations, affected almost all areas of daily life. Disappointment about failed reform in post-communist societies was high. The states characterized by economy of scarcity were indeed given a boost by economic and consumerist promises from the “West”. At the same time, however, personal adaptive difficulties and uncertainties, devalued career paths, and failed life plans led to alienation, disunity, and social division. The transformation of the GDR following a West German model caused accusations of the “colonization of East Germany – an objection also raised in other East-Central European states as a result of neoliberal processes of transformation. Continuities of colonial logic and practice were not limited to West Germany but could also be identified in the GDR. Feelings of humiliation, indignity, and social inequality determined not only the climate of reunification and may also have feed into growing nationalism and racism, and to social disintegration.

Against this background, this international conference applies a transdisciplinary perspective to the changes in 1989 and beyond by looking at the consequences of the transformative process in Germany and its East-Central European neighbors, taking into account the simultaneous transformation of the West. The focus is on the plurality and heterogeneity of expectations, experiences, and memories – from 1989 to the present. The cultural-anthropological and sociohistorical approach, with its emphasis on everyday life and subjective interpretive and developmental horizons, enables to trace the subtlest ramifications of former and contemporary perceptions, practice, and scopes of action on both the micro and macro levels. Thus, space is provided for alternative narratives, expansions, and differentiation in the “success story” of 1989, and insight will be gained into the profound mental and emotional legacy of transformation.


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