Fundstück aus dem ISGV – im September 2025
Das Auf und Ab der Dresdner Carolabrücke
von Christoph Sauer und Claudia Dietze
Viele Brücken überspannen die Elbe. Allein im Stadtgebiet von Dresden sind es elf, bzw. waren es elf.
Eine davon war die Carolabrücke, die bis zu ihrem Teileinsturz im September 2024 die Altstadt mit der Neustadt verband. Sie blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, die von politischen, aber auch technischen Umbrüchen geprägt ist. Bereits zwei verschiedene Brücken standen bis jetzt an selber Stelle: Die erste 50 Jahre, die zweite 53 Jahre. In dieser Zeit wechselten die Namensbezeichnungen von „Königin-Carola-Brücke“ zu „Carola-Brücke“ über „Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke“ und wieder zu „Carolabrücke“ zurück.
Dieser ereignisreichen Geschichte einer Brücke, die vor einem Jahr ihr Ende mit einem medial breit dokumentierten Teileinsturz fand und mittlerweile komplett abgetragen ist, widmet sich das September-Fundstück. Auch im Bildarchiv des ISGV finden sich Aufnahmen der wohl nun bekanntesten Dresdner Brücke, die es so nicht mehr gibt.
Die erste Carolabrücke (1895-1945)
Der Bau der damals vierten Elbbrücke in Dresden war Teil eines umfassenden Projekts zur Verbesserung der Verkehrsverbindungen zwischen dem Stadtzentrum und dem Stadtteil Neustadt. Nach den Vorarbeiten des Bauingenieurs und Stadtbaurat Karl Manck beendete dessen Nachfolger Hermann Klette die Planungen und setzte seine eigenen Vorstellungen um, wobei er mit dem Bauingenieur Claus Köpcke zusammenarbeitete. Der Bau der neuen Elbeüberquerung, die als Ergänzung zur Augustusbrücke konzipiert wurde, begann im August 1892.

das Neustädter Elbufer, Foto: Ermenegildo Antonio
Donadini, um 1894, Deutsche Fotothek Hauptkatalog 0044647.
Nach einer Bauzeit von gut drei Jahren wurde die ca. 330 Meter lange Brücke am 6. Juli 1895 im Beisein der königlichen Familie als „Königin-Carola-Brücke“ eingeweiht. Mit dieser Bezeichnung wurde Carola von Wasa-Holstein-Gottorp (1833–1907), die Gemahlin König Alberts I, geehrt. Die neue Elbebrücke war nicht die erste Ehrung in Dresden für die Königin von Sachsen: Auch die Carola-Allee (1879, heutige Stauffenbergallee), die Carolabrücke über den Prießnitzgrund (1875, heute Prießnitztalviadukt), das Carolahaus (1878) der Carolaplatz (1893) sowie der Carolasee und das Carolaschlösschen (beide in den 1880er und 1890er Jahren) wurden zu Ehren der beliebten Königin nach ihr benannt.

Digitales Bildarchiv, BSNR: 202174.
Mit Baukosten von über drei Millionen Mark überstieg die „Königin-Carola-Brücke“ die ursprünglich veranschlagten zwei Millionen Mark deutlich. Die Brücke stellte sich bald als gute Möglichkeit zur Überquerung der Elbe für Passantinnen und Passanten und für den Fuhr- und Lastverkehr dar. Zudem wurde mit ihr eine wichtige Verbindung im Straßenbahnnetz geschaffen.
Laut Klette musste bereits beim Bau „auf eine möglichst gute Erscheinung” der Brücke geachtet werden. Reich dekorierte Aufbauten wie die bronzenen Widmungsgruppen, die zum 66. Geburtstag der Königin Carola errichtet wurden, zierten die Brücke. Bis heute prägend sind ebenso die zwei an die griechische Mythologie angelehnten Figurengruppen „ruhige Elbe“ und „bewegte Elbe“, die an den Zufahrtsrampen auf dem Rathenauplatz (Altstadtseite) herausragen – und zugegebenermaßen etwas verloren wirken, da sie nicht mehr zum ursprünglichen Ensemble gehören.
Zerstörung und Wiederaufbau – die zweite Carolabrücke (1971-2024)
Nachdem am 7. Mai 1945 Teile der Brücke durch die SS wegen des vorrückenden sowjetischen Militärs gesprengt worden waren, vergingen mehr als 25 Jahre, bis eine neue Brücke wieder die Altstadt mit der Inneren Neustadt verbinden sollte. In den 1950er-Jahren wurden bislang verbliebene Brückenteile wie auch die Stahlbogenträger gesprengt. 1967 brach man die beiden Strompfeiler für den Bau einer neuen Carolabrücke ab. Nach dreijähriger Planung begannen im Frühjahr 1968 die Bauarbeiten für die zweite Carolabrücke, die „Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke”. Nicht nur der Name wurde ein anderer, auch die Brücke erhielt ein komplett neues Erscheinungsbild.

ISGV, Digitales Bildarchiv, BSNR: 81074.
Unter der Leitung des Ingenieurs- und Architektenkollektivs Eckhart Thürmer, Rolf Berger und Michael Franke entstand bis 1971 eine Spannbetonbrücke mit einer Gesamtstützweite von 375 Metern und drei getrennten Brückenzügen für Kraftfahr- und Straßenbahnverkehr. Um die Elbsilhouette nicht zu verändern, verzichtete man auf einen Pylonen oder Trägermasten. Zudem kamen patentierte Hohlplatten für Massivbrücken zum Einsatz.
Aus Anlass des bevorstehenden VIII. Parteitags der SED zwischen dem 15. und 19. Juni 1971 wurde die Brücke bereits am 10. Juni für den Verkehr geöffnet – auch im Zeichen des Konzepts der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“, welches der neue Vorsitzende des Zentralkomitees Erich Honecker propagierte. Die offizielle Übergabe an die Bevölkerung fand schließlich in festlichem Rahmen am 3. Juli 1971 statt.

und das Elbhochwasser 2002, Foto: Jörg Hennersdorf,
ISGV, Digitales Bildarchiv, BSNR: 206002.
Eine Kontinuität versuchte man nach der Wiedervereinigung 1991mit der Rückbenennung in Carolabrücke zu schaffen, obwohl das Bauwerk aber nun ein ganz anderes war. Auch wenn die beiden Carolabrücken jeweils nur ein halbes Jahrhundert die Elbe querten, hielten sie den immer wiederkehrenden Hochwässern in Dresden z.B. 1897, 2013 und der sogenannten Jahrhundertflut 2002 stand.
Sanierung ab 2019 und Einsturz
Aufgrund des verbauten spannungsrissanfälligen Spannstahls und bekannter Schäden, begannen ab 2019 umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Zusammen mit der TU Dresden wurde erstmals in einem Projekt Carbonbeton für den Brückenbau eingesetzt. Bis 2024 konnten der Brückenzug A und B erneuert werden. Übrig war der dritte Brückenzug mit der Gleistrasse. Doch zu dieser Sanierung kam es nicht mehr, da in den Morgenstunden des 11. Septembers 2024 dieser Brückenzug teilweise einstürzte.
Die Dresdner Carolabrücke wurde bald zu einem Sinnbild für den maroden Zustand der Verkehrsinfrastruktur; nicht nur in Dresden, sondern deutschlandweit. Kurz nach dem Einsturz wurden im Rahmen einer Sonderprüfung 19 Brücken in Sachsen identifiziert, in denen ebenfalls spannungsrisskorrosionsgefährdeter Stahl verbaut wurde. Gerade in Dresden führten die Prüfungen zu weiteren Nutzungseinschränkungen für den Auto-, Schiff-, Rad- und Fußverkehr. Dabei war die Carolabrücke nicht die erste Dresdner Elbbrücke, die teilweise einstürzte. Aufgrund der sogenannten Dresdner Sintflut brach am 31. März 1845 ein mittlerer Pfeiler der Augustusbrücke.
Der bevorstehende Wiederaufbau der Carolabrücke – oder welchen Namen sie auch immer erhalten wird – wird rege in der Stadtöffentlichkeit diskutiert. Es gilt daher abzuwarten und festzuhalten, welche Elbquerung zukünftig an der Stelle der zwei alten Carolabrücken diesen Platz einnehmen wird.