SonderFundstück aus dem ISGV – im Oktober 2021

Die Wiederkehr des Fürsten: Zum Konflikt um das Bismarck-Denkmal in Bautzen

von Sönke Friedreich

Dass in den letzten Jahren die Denkmäler als Bestandteile von Erinnerungskultur und Geschichtspolitik verstärkt in den Mittelpunkt gerückt sind, belegen vor allem die heftigen Auseinandersetzungen um Monumente des amerikanischen Bürgerkrieges in den Vereinigten Staaten. Auch die Erinnerung an Protagonisten des Kolonialzeitalters, etwa in Großbritannien, wird inzwischen kontrovers diskutiert. Die hierin deutlich werdende politische Aufladung historischer Erinnerungszeichen lässt fast keine Gesellschaft unberührt.1 Auch hierzulande flammen immer wieder Konflikte auf, die auf zunehmende gesellschaftliche Spannungszustände und Deutungskämpfe verweisen, nicht zuletzt in Sachsen.

National(istisch)e Erinnerungspolitik in lokalen Grenzen

Kürzlich sorgte ein Beschluss des Hauptausschusses der Stadt Bautzen für Aufsehen, die Errichtung eines Bismarck-Denkmals auf dem Czorneboh bei Bautzen sowie anschließend die Kosten für den Unterhalt desselben zu genehmigen. Die Initiative hierzu ging von der „Bautzener Liedertafel“ auf, die bereits auf Kundgebungen der AfD zum „gemeinsamen Singen deutscher Volkslieder“ aufrief. Auf dem Czorneboh stand einst eine 1904 errichtete Statue Bismarcks in militärischem vestiment, die 1950 entfernt wurde. Gegen die Wiedererrichtungspläne haben sich inzwischen das Sorbische Institut und die Domowina gewandt, die in der Initiative einen „aus der Zeit gefallene(n), schädliche(n) Akt“ sehen.2 Für den Bautzner Oberbürgermeister reicht es dagegen schon als Begründung, dass Bismarck „kein Verbrecher“ gewesen sei. Zugleich möchte er das Denkmal mit einer Texttafel kritisch begleiten – warum man eine symbolische Aussage unterstützt, die zu revidieren man sich zugleich genötigt sieht, bleibt schleierhaft.3

Der Versuch, ein verschwundenes Denkmal wieder zu errichten, ist nicht präzedenzlos. Nur einige Beispiele aus Sachsen: 1998 errichtete ein Verein in Freiberg an der Stelle des 1943 entfernten Bismarck-Monuments einen Gedenkstein – nachdem er vergeblich für die Wiedererrichtung des Originals eingetreten war. 2018 schlug die AfD in Dresden vor, das im Zweiten Weltkrieg vernichtete Viktoria-Monument auf dem Altmarkt, das an den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erinnerte, neu zu setzen.4 Und schließlich lässt sich auf eine ganze Reihe von wiederhergestellten oder restaurierten König Albert-Denkmälern verweisen, dem bevorzugten Motiv der Denkmäler in Sachsen um 1900.

Unschuldige Monumente?

Kann es falsch sein, vergessene und abgebrochene Denkmäler zu ersetzen? Die Befürworter sehen in der Wiedererrichtung meist die Wiedergutmachung eines Unrechts und die Affirmation von vermeintlich geleugneten Errungenschaften und Werten einer früheren Zeit. Doch entscheidend ist, dass der Denkmalinhalt nur im jeweiligen Entstehungskontext der Zeit zu deuten ist – ein Bismarck-Denkmal im Jahr 2021 ist eben gerade nicht das von 1904. Heute haben wir es mit einer klaren nationalkonservativen, geschichtsrevisionistischen Ausdeutung zu tun, für die Bismarck als Symbolfigur herangezogen wird. Der Blick zurück zeigt uns, dass schon die Denkmalsetzungen der Kaiserzeit eng mit diesem gesellschaftlichen Kontext verwoben waren. Die Welle von Bismarck-Denkmälern und Türmen nach 1895 entsprang der zunehmenden außenpolitischen Verunsicherung und Isolierung Deutschlands und überdeckte zugleich deren Wurzeln; die Fülle von Albert-Denkmälern in Sachsen zwischen 1902 und 1907 stand im Kontext der gesellschaftlichen Konflikte um soziale Ungleichheit und politische Entmündigung, erkennbar an Streikwellen und Wahlrechtskämpfen. Aus heutiger Distanz ist ein schärferer Blick auf die problematische Figur Bismarck möglich; dieser Blick sollte kritisch sein und nicht affirmative symbolische Gesten reproduzieren. Schließlich sind Denkmäler niemals nur das, was sie abbilden: Sie sind symbolische Waffen im Kampf um die politisch-historische Deutungshoheit. Das ist auch im Bautzner Fall unübersehbar.

Anmerkungen

1 Vgl. hierzu meine Einführung in: Sönke Friedreich: Monumente (in) der Region. Denkmäler als Zeugnisse städtischer Erinnerungskultur in Sachsen (1871-1914), Leipzig 2020, S. 11-15.

2 Offener Brief des Sorbischen Instituts v. 11.10.2021, S. 1; online unter https://www.serbski-institut.de/de/dnl/2021-10-11-Offener-Brief-Bismarck-Denkmal.4875.pdf (Aufruf v. 14.10.2021).

3 Streit in Bautzen um Wiederaufbau der Bismarck-Statue, 13.10.2021, MDR online https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/bautzen-hoyerswerda-kamenz/streit-bismarck-denkmal-czorneboh-oberlausitz-100.html (Aufruf v. 14.10.2021).

4 Vgl. Soll die Germania zurück auf den Altmarkt?, in: Sächsische Zeitung v. 17. Juli 2018. URL: https://www.saechsische.de/soll-die-germania-zurueck-auf-den-altmarkt-3976951.html (letzter Zugriff:  14.10.2021).

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