Fundstück aus dem ISGV – im Mai 2025
Sport verbindet – König Fußball und seine materielle Überlieferung im ISGV
von Jens Klingner

(Foto: Hendrik Keller)
Im ISGV schlummern viele kleine „Schätze“. Damit sind nicht nur die für Forschungszwecke verfügbaren Stücke in den wissenschaftlichen Sammlungen wie dem Lebensgeschichtlichen Archiv oder dem Bildarchiv gemeint, sondern auch die in den Katalogen unauffindbaren, weil dort nicht verzeichneten Artefakte der 28-jährigen Institutsgeschichte. Zu nennen wären beispielsweise das aus den Vorgängereinrichtungen des ISGV übernommene Interieur im Konferenzzimmer oder die in den Gängen präsentierten Flyer und Plakate vormaliger Tagungen, welche Vergangenes gegenwärtig halten. Nicht so sichtbar, fast etwas versteckt finden sich im Zimmer der IT drei Pokale, die einerseits auf die sportlichen Aktivitäten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verweisen, andererseits eine kurze und sehr erfolgreiche fußballerische Episode des Instituts dokumentieren.
Sport gehört zum Alltag vieler der im ISGV beschäftigten Personen. Es gibt eine große Gemeinde an Radfahrerinnen und Radfahrern, die auch zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks den täglichen Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Drahtesel zurücklegen. Daneben betätigen sich viele bewegungsaktiv in ihrer Freizeit, beim regelmäßigen Laufen, beim Klettern oder in Mannschaftssportarten wie Ultimate (Frisbee), Basketball, Volleyball und natürlich Fußball. Auch gemeinsame Veranstaltungen gab und gibt es gelegentlich. So nahmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehrfach an der „REWE Team Challenge“ teil und sammelten bzw. sammeln beim Stadtradeln einmal im Jahr fleißig Kilometer für eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur.
Deutlich häufiger kamen die Mitarbeiter vor circa 20 Jahren zusammen, um nach dem Arbeitstag gemeinsam zu „bäbbeln“. Genutzt wurden zunächst die Grünflächen im Großen Garten, später Dresdner Sportplätze von unterschiedlicher Qualität sowie über einen Verein organisierte Hallenzeiten in Dresden, Boxdorf und Reichenberg. Um sich mit anderen Gegnern zu messen, nahm das neu formierte Team auch an kleinen Turnieren teil. Den Auftakt stellten die Sommerfeste des Fachschaftsrats der Sprach-, Literatur und Kulturwissenschaften der TU Dresden auf dem Sportplatz an der August-Bebel-Straße dar. Hier erlangte die als „Müllers Knappschaft“ – nach dem erst kürzlich viel zu früh verstorbenen ehemaligen Institutsleiter Prof. Dr. Winfried Müller – titulierte inoffizielle Mannschaft des Instituts mit einem zweiten Rang 2003 und einem Turniersieg 2005 gute Platzierungen, wovon zwei der drei erwähnten Pokale zeugen.

(Foto: Michael Schmidt)
Höhepunkt des fußballerischen Wirkens sollten aber die Duelle mit den Dresdner Henge Kickers werden, der Mannschaft des Landesamts für Archäologie Sachsen. Die engen beruflichen Kontakte zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Einrichtungen sorgten dafür, dass es 2010 zu einem ersten Aufeinandertreffen der Teams kam. Die Tage vor der Partie sind ausgezeichnet dokumentiert. Eine große Zahl Bilder und Videos zeigen die akribische Planung und Vorbereitung seitens nahezu aller Mitarbeitenden im ISGV, von den Diskussionsprozessen um den Team- und die Spielernamen (bspw. „André der Beherzte“, „Ludwig der Springer“), der Gestaltung sowie Beschaffung eigener Trikots, über die sehr kreativen Entwürfe für Plakate und Banner bis hin zum Einstudieren der Choreografie des Fanclubs. Wie ernst dieses Event am Institut genommen wurde, verdeutlicht auch die von der Institutsleitung unterstützte Verlegung eines am späten Nachmittag des Spieltags angesetzten Vortrags von Sönke Friedreich im Forschungskolloquium der Lehrstühle für Sächsische Landesgeschichte, Geschichte der Frühen Neuzeit und Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der TU Dresden, um seine Teilnahme am Spiel zu gewährleisten.

(Foto: Michael Schmidt)
Das Zusammentreffen bei bestem Fußballwetter zum ersten Duell mit den Henge Kickers am 20. Mai 2010 im Ostragehege wurde zu einem großen Fest. Der sportliche Wettbewerb und das erfolgreiche Abschneiden der „Ober-Elbe-Kliotoren“ – so die aus der Diskussion destillierte Eigenbezeichnung des ISGV-Teams – mit zwei eindeutigen Siegen (3:0 und 5:3) waren eigentlich Nebensache. Im Mittelpunkt stand vielmehr das gemeinsame Erlebnis aller Beteiligten, von Fußballern und Fußballerinnen (der Einsatz von zwei Spielerinnen pro Mannschaft war Pflicht) und Unterstützerinnen und Unterstützern. Im Sinne der Festkultur gehörten eine ausgiebige kulinarische Versorgung, eine musikalische Umrahmung sowie die an den Zäunen und Tornetzen befestigten, selbstgestalteten Plakate und Banner mit provokanten Sprüchen wie „Die besseren Wissenschaftler gewinnen!“ oder „Mit Hacke und Spaten die Welt erraten“ zum Ambiente des Duells. Auf dem Spielfeld sorgten die Spielerinnen und Spieler für sportliche Höchstleistungen, neben dem Spielfeld die ISGV-Cheerleader-Gruppe für Stimmung. Die extra dafür angeschafften grünen Pompons gehören immer noch zur materiellen Überlieferung des ISGV. Leider sind die zahlreichen Einträge, die vor und nach diesem Spiel Eingang in das Gästebuch auf der Homepage der Henge Kickers gefunden hatten, heute verschwunden und gelten als archäologische Damnatio memoriae.

5 Jahre Henge-Kickers, 2010
(Foto: Michael Schmidt)
Eine sportliche Revanche ließ nicht lange auf sich warten. Bereits bei der gemeinsamen Abschlussfeier nach dem ersten Duell wurden die Ober-Elbe-Kliotoren zum Jubiläumsspiel anlässlich des fünfjährigen Bestehens der Henge Kickers eingeladen. Diesmal bei Flutlicht und strömenden Regen konnte sich das ISGV am 2. September 2010 im Doppelduell – trotz einer 1:2-Niederlage zum Auftakt – im zweiten Spiel 3:0 durchsetzen und damit den (dritten) Pokal in die Höhe stemmen. Da es sich in diesem Fall nicht um ein nomadisches Objekt in Form eines Wanderpokals handelt, erinnert die Trophäe noch heute im ISGV an den regnerischen Abend. Ein Spielbericht der Henge Kickers liefert als digitales, schriftliches Manifest einen Einblick in das Seelenleben der Unterlegenen.

2010 (Foto: Michael Schmidt)
Die weiteren Spiele 2011 (7:4, 5:1, 1:0, 7:0) und 2012 (1:1, 3:2) wurden ebenfalls von ISGV-Seite erstklassig unterstützt. Aus dem letzten Duell Anfang August 2012 resultiert eines der wohl schönsten Bilder unseres Instituts, ein Schnappschuss für die „Ewigkeit“: Zu sehen sind die „Gladiatorinnen“ und „Gladiatoren“ nach dem letzten Aufeinandertreffen, als sich die Beteiligten nach dem Siegtreffer mit dem Schlusspfiff an der Wechselbank versammelt hatten und sich die Abendsonne für einen kurzen Moment den Weg durch die Wolken bahnte.
Die Events sorgten seinerzeit als teambildende Maßnahme nicht nur zur bereichsübergreifenden außerdienstlichen „Zusammenarbeit“ von Landesgeschichte und Volkskunde/Europäische Ethnologie, sie stehen für ein gemeinschaftliches Miteinander über den beruflichen Kontext hinaus. Die Dokumentation gehört mittlerweile zum audiovisuellen Kulturgut des ISGV. Die Tradierung der Spiele wird in morgendlichen Kaffeerunden, mittels erinnerungskultureller Schlaglichter bei Ganggesprächen oder bei freudigen Wiedersehen mit den Kollegen und Kolleginnen der Archäologie aktiv betrieben. Die Fußballgruppe des ISGV mit einigen aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern gibt es heute noch. Sie treffen sich regelmäßig in einer Sporthalle.