Fundstück aus dem ISGV – im Januar 2021

Der Dresdner Elfenbeinschnitzer Otto Ernst Richter

von Claudia Pawlowitsch

Otto Richter bei der Arbeit, aus: Drei
Schnitzerjungen in Tolkewitz. Kindheitserinnerungen.
Zugleich Kulturbild eines Dresdner
Vororts nach der Jahrhundertwende, S.273.

Das erste Fundstück des neuen Jahres erinnert an die längst nicht mehr praktizierte Elfenbeinschnitzerei in Dresden. Im Februar 2020 wurde dem Lebensgeschichtlichen Archiv (LGA) die Familienchronik „Drei Schnitzerjungen in Tolkewitz. Kindheitserinnerungen. Zugleich Kulturbild eines Dresdner Vororts nach der Jahrhundertwende“ übergeben. Das im Jahre 1971 von Willy, Otto und Kurt Richter verfasste anekdotenhaften Typoskript enthält neben Kindheitserinnerungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zahlreiche Fotografien. Gewidmet ist das 311 Seiten umfassende Werk dem Vater Otto Ernst Richter, der am 1.1.1863 in Berthelsdorf bei Herrnhut geboren wurde und als einer der letzten Elfenbeinschnitzer in Dresden gilt. Zwischen 1878 und 1884 nahm er in Löbau und Dresden bei Adam Barz die Lehre zum Elfenbeinschnitzer auf.

Galt vor allem Elfenbein im Mittelalter noch als Sinnbild von Keuschheit und Reinheit, avancierte das durch drechseln, meißeln, fräsen und sticheln leicht zu verarbeitende Material im 19. Jahrhundert zum Bestandteil einer Status- und Distinktionssymbolik bürgerlicher Kreise. So lag es sicherlich nahe, dass Otto Ernst Richter nach seiner Lehrzeit in den Metropolen Berlin und Wien arbeitete bis er sich schließlich 1889 endgültig in Dresden niederließ. Sein Spezialgebiet umfasste die filigrane figürliche Schnitzkunst sowie die im Jugendstil sehr beliebten floralen Motive. Für die Dresdner Elfenbeinausstellung (1892/1893) fertigte er beispielsweise eine noch nicht voll erblühte Rosenzweig-Brosche. Für seine Arbeiten verwendete Richter beispielsweise Stoßzähne von Elefanten, Walrössern oder Eckzähne von Flusspferden und gelegentlich auch Holz und Bernstein.

Ein Arbeitsangebot aus der zu dieser Zeit bekannten Elfenbeinschnitzerregion Erbach im Odenwald und heutigem Standort des Deutschen Elfenbeinmuseums, schlug er nach kurzem Aufenthalt aus. Otto Richter starb, lange vor dem Handelsverbot mit Elefantenelfenbein 1989 durch das Washingtoner Artenschutzabkommen, am 31.12.1953 in Dresden. Er hinterließ drei Söhne, die in Studien, wie „Die Elfenbeinschnitzer Dresdens“ (1978) an diese Handwerkstradition erinnerten. Das in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) verwahrte Schachspiel „Bauernkrieg. Luther gegen Müntzer“ legt bis heute Zeugnis von seiner Handwerkskunst ab.

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